Pressetext zum Vortrag in Neustadt mit Prof. Dr. Luibl: "Kunst und Kirche – anders sehen lernen"

Referent Luibl und Maria Rummel Vortrag Kunst und Kirche
Bildrechte Heidi Wolfsgruber

„Ich sehe was, was Du nicht siehst!“ – mit Hilfe dieses beliebten Kinderspiels ermöglichte Professor Dr. Hans Jürgen Luibl aus Erlangen seinen 35 Zuhörern einen Einstieg in das, was Kunst vermag: Anders sehen lernen.

Foto: Maria Rummel, stell. Vorsitzende des Bildungswerkes und mit im Team zur Kirchenführerausbildung, bedankt sich bei Prof. Dr. Luibl mit Honig aus dem Wildbad.

Kunst entstehe, so der Professor, wo Menschen die Welt anderssehen. Nach Friedrich Schleiermacher, einem bekannten evangelischen Theologen Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts, mache diese Fähigkeit alle Menschen zu Künstlern. Da der Glaube in der Welt ebenfalls etwas ganz Anderes sähe, nämlich das Wirken Gottes, verbindet dieses Anderssehen Kunst und Glauben wie Geschwister.

Eingeladen zu diesem Vortrag in im evang. Gemeindehaus in Neustadt hatte das evang. Bildungswerk „Bildung evangelisch zwischen Tauber und Aisch“ im Rahmen der regionalen Ausbildung von Kirchenführern - und ihn zugleich für Interessierte geöffnet. Den 18 zukünftigen Kirchenführer*innen aus dem Dekanat Neustadt sowie den Dekanaten Bad Windsheim, Uffenheim und Rothenburg gab Luibl mit, die Bilder in den Kirchen möglichst offen zu halten für den je individuellen Blick des Betrachters. Denn Interpretieren heißt Macht ausüben, Deutungsmacht. Diese könne manchmal hilfreich sein, aber eben oft auch den Deutungshorizont einengen. Zeitgenössische christliche Kunst setze daher oft Abstraktion oder Provokation. Denn das Ziel sei die Befreiung von Vorstellungen und die Hinwendung zum bildlich an sich nicht fassbaren Geheimnis Gottes. Aus diesem Grund kam es in der Reformationszeit auch zu Bilderstürmen in den Kirchen, bei Wandmalerein wurden demonstativ Augen ausgekratzt, um das Anderssehen sichtbar zu proklamieren. Die Neustädter Stadtkirche war davon jedoch nicht betroffen, da die Reformation hier „sehr behutsam und langsam“ durchgeführt wurde.

In der sich anschließenden vom Erlanger Professor Dr. Peter Bubmann aus Neustadt engagiert moderierten Diskussion kamen weitere interessante Fragen zur Sprache: Wie gelingt es, die Kraft von Kunstwerken zu entdecken? Wie können christliche Kunstwerke helfen, einen anderen Blick für den Alltag zu gewinnen? Und wo sind die Bilder, die in der Bilderflut der Medien wirklich tragen und heilsame Horizonte eröffnen? Hans Jürgen Luibl machte klar: Um Antworten zu finden, müssen wir als Menschen mit unseren unterschiedlichen Wahrnehmungen in den ehrlichen Austausch miteinander gehen und zudem bereit sein, mit Hilfe des Blicks des Anderen dazuzulernen.